Von Katharina Höftmann Ciobotaru
Eine Gruppe kleiner Mädchen steht in voller Montur am Rande des Fussballfelds, sie tragen dunkelrote Trikots und plappern auf arabisch wild durcheinander. Die Mädels kommen mehrheitlich aus dem arabischen Dorf Abu Gosh und spielen für die „Nachbarschaftsliga“ des FC Hapoel Katamon Jerusalem. Als sie die internationalen Gäste bemerken, die von der Organisation Jerusalem Foundation zu dem heutigen Spiel gebracht wurden, kommen sie angelaufen und erzählen auf Englisch, wie alt sie sind (die meisten von ihnen sind zehn Jahre alt) und wie lange sie schon hier im Zentrum Jerusalems Fussball spielen.
An dem Fussballclub FC Hapoel Katamon Jerusalem, zu dem der Fussballplatz hinter den Mädels gehört und den seine Fans nur „Katamon“ nennen, ist so einiges Besonders: 2007 von Anhängern des Vereins Hapoel Jerusalems gegründet, die mit dem Vorstand des Clubs unzufrieden waren (übrigens der erste Verein dieser Art im Land), bietet der FC nicht nur eine professionelle Herren- und Frauenmannschaft sowie eine U19 für beide Geschlechter und eine professionelle Fussball-Akademie, sondern vor allem einen Rahmen und ein Zuhause für ganz viele verschiedene Gruppen. Der Verein legt grossen Wert auf den Aufbau einer Gemeinschaft und die Verbesserung des Lebens der Jugend in Jerusalem. Die Fans und Kuratoren haben es sich zur Aufgabe gemacht, Projekte für über 1500 Kinder und Jugendliche aus allen Gesellschaftsschichten in Jerusalem und Umgebung durchzuführen.

So unterhält der Verein in dem Schweizer Jugenddorf für gefährdete Jugendliche Kiryat Yearim (Nahe Jerusalem) eine Mannschaft mit 60 Jugendlichen, die dort über den Fussball Selbstbewusstsein, Teamgeist und Disziplin vermittelt bekommen. Unter dem Namen „Spektrum Fussball“ gibt es in Jerusalem selbst ausserdem drei Mannschaften für Kinder und Jugendliche mit Autismus. Gemischte Mannschaften für behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene und Nichtbehinderte bietet der FC ebenfalls – Projekte, die einmalig in Israel sind. Das Pilotprojekt „Gehender Fussball“ will darüber hinaus eine Mannschaft für Senioren etablieren.
Das grösste und erfolgreichste Projekt ist aber sicherlich die Nachbarschaftsliga. 2009 gegründet, werden hier heute über 600 Mädchen und Jungen im Alter von neun bis 14 Jahren von 22 Trainern unterrichtet. Ob Juden, Araber, Neueinwanderer oder afrikanische Flüchtlinge – alle sind willkommen. Zweimal pro Woche kommen die Kids auf den grossen Fussballplatz im Emek Arazim Park, zweimal pro Woche trainieren sie in den Schulen. Daneben spielen die Kinder einmal im Monat ein grosses Turnier, bei dem es keine Schiedsrichter gibt und in denen die Kinder eventuelle Konflikte selbst lösen müssen.

Um dafür besser gewappnet zu sein, erhalten die Kinder eins-zu-eins Sessions, die im Rahmen des CMM P2P-Programms für Konfliktlösungen entwickelt wurden: Vor den Spielen nehmen die Kinder an verschiedenen Workshops teil. Dabei lernen sie unter anderem grundlegende Begriffe in der Sprache des anderen, insbesondere solche, die es ihnen ermöglichen, sich auf dem Rasen gut zu verstehen und zu verständigen. Die Trainer, die an dem Projekt teilnehmen, durchlaufen einen Fair-Play-Workshop – ein zentrales Instrument zur Kommunikation und zum Abbau von Gewalt. In den Spielen werden die Regeln dann auf demokratische Weise festlegen. Während des Spiels ist es die Aufgabe der Trainer, darauf zu achten, dass die Spieler die Regeln einhalten. Wenn die Gruppen sie einhalten, erhalten sie „Fairness-Punkte“.
Wie geht man mit Rassismus um?
In der Nachbarschaftsliga sind schon einige Stars für das professionelle Team von Katamon geboren wurden, so wie Awaka Eshata, ein äthiopischer Israeli, dessen Mutter ihn zum Fussball schickte, weil sie ihn, wie er erzählt, „von der Strasse wegholen wollte“. Eshata berichtet, dass er, der am Anfang kaum Hebräisch konnte, seit der vierten Klasse in den Fussballverein geht – und dort nicht nur Fussball spielen lernte, sondern auch, wie er mit schwierigen Themen wie dem Rassismus, den er in Israel oft erlebt, umgehen kann. „Es gab Kinder, die mich mit dem ‚N-Wort‘ beleidigten und die Trainer lehrten uns, diese Aussagen anzusprechen und darüber zu reden, nicht gewalttätig darauf zu reagieren.“ Heute spielt Eshata für die Erwachsenenliga und hofft den Verein in der israelischen Liga voran zu bringen.

Die arabischen Mädchen aus Abu Gosh rennen derweil, als die Trillerpfeife ertönt, aufs Spielfeld und zeigen nun, was sie können. Ihr arabisch mischt sich auf dem Platz mit hebräisch. Am Spielfeldrand werden sie nicht nur von den Donatoren der Jerusalem Foundation, die den Verein finanziell unterstützt, beobachtet, sondern dort sitzt auch ein äthiopischer Israeli und schaut seinem Sohn beim Kicken zu. Wie wichtig Projekte wie die des FC Hapoel Katamon Jerusalem sind, begreift man spätestens in dem Moment, in dem man den Stolz in den Augen des Mannes sieht.