In einer Reihe von Untersuchungen hat sich Professor Gil Diesendruck von der Bar- Ilan-Universität in Israel mit Kinder und Rassismus beschäftigt. Ein Gespräch über Erziehung, Evolution und Grenzen.
Zwischenzeilen: Wie lautete die Grundfrage Ihrer Studie?
Diesendruck: Ich wollte herausfinden, wie Kinder über Menschen aus anderen Gruppen denken und habe versucht zu verstehen, woher ihre Gedanken kommen. Lernen die Kinder Rassismus von uns, oder ist er Intuition?!
Ich stellte während meinen Untersuchungen fest, dass bereits Kinder im Alter von fünf Jahren erkennen, dass verschiedene Menschen verschiedenen Gruppen angehören und dass es essentielle Unterschiede zwischen ihnen gibt.
ZZ: Sie haben sich in ihren Studien hauptsächlich mit jüdischen und arabischen Kindern in Israel beschäftigt. Verhalten sich Kinder weltweit gleich?
Diesendruck: Meine Forschung lässt sich gut verallgemeinern und wurde auch untersucht. Aber Kinder unterscheiden zwischen den Kategorien oder Rassen, mit denen sie aufwachsen. Ein Kind in Israel unterscheidet zwischen Juden und Arabern. Ein Kind in den USA eher zwischen Schwarz und Weiss. Ein Kind in Indien in Kasten.
ZZ: In welcher Form Erwachsene die Identität ihrer Kinder formen, hat also einen essentiellen Einfluss auf ihr rassistisches Verhalten. Wie viel Rassismus ist natürlich und was lernt das Kind von uns?
Diesendruck: Ein Kind weiss von allein, dass Menschen aus anderen Gruppen anders sind. Dieser Unterschied führt dazu, dass dieser „Andere“ im eigenen Empfinden „entmenschlicht“ wird, was dazu führt, dass das Kind seine eigene Gruppe einer anderen vorzieht. Das lernen Kinder von ganz allein.
ZZ: Können wir einem Kind beibringen, nicht rassistisch zu sein?
Diesendruck: Ich denke ja. Wir können versuchen, das Empfinden der Unterschiede der Gruppen zu minimieren, indem wir nicht Verallgemeinern. Eine verallgemeinernde Form des Redens brennt sich im Kopf eines Kindes ein.
Kinder sind schamloser rassistisch
ZZ: Wie unterscheidet sich der Rassismus eines Kindes von dem Rassismus eines Erwachsenen?
Diesendruck: Kinder äussern ihren Rassismus ohne Filter oder Scham, während die meisten Erwachsenen diplomatisch damit umgehen. Wenn wir einem Kind zwei Bilder von zwei Kindern zeigen und das Kind fragen „Mit wem möchtest du befreundet sein?“, so zeigt das Kind ohne zu zögern auf seine eine Gruppe.
ZZ: Ab wann wird Rassismus böse?
Diesendruck: In weiteren Versuchen haben wir festgestellt, dass bereits Jungs im Alter von drei Jahren bösartig rassistisch sein können. Wir haben gesehen, dass es schon in dem Alter weniger Hemmungen gibt, Kinder einer anderen Rasse Schaden zuzufügen als Kinder der eigenen.
ZZ: Wir sind also in Grunde genommen alle Rassisten…
Diesendruck: Rassismus ist ein natürlicher Teil von uns. Die Evolution hat uns mit einem rassistischen Empfinden geformt. Wir müssen lediglich lernen und Kindern beibringen, dieses natürliche Verhalten zu stoppen und ihm Grenzen zu setzen.