MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Das Gold der Irakis

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Ech ha amba shelachem – was für den nicht hebräisch sprechenden Leser klingen mag, wie eine Kriegserklärung, ist in Wahrheit die Frage, mit der sich im Schawarma-Laden die Spreu vom Weizen trennt: „Wie ist eure Amba?“ Seit etwa einem Jahr stelle ich die Frage. Das war nicht immer so. Jahrelang habe ich Amba, eine Art Mango-Chutney nicht einmal probiert, weil mein israelischer Mann stets behauptete, dass man daran dann den ganzen Tag ässe. Und das klang nicht so attraktiv. Aber der Mann ist halb Iraki und ein Iraki ohne Amba, das ist wie ein Fisch ohne Wasser. Irgendwann warf er die Bedenken über Board und stieg wieder voll ins Amba-Geschäft ein. Und ich mit ihm. Anfangs zögerlich. Schmeckt mir das überhaupt?-denkend. Denn eigentlich bin ich kein grosser Mango-Fan.

Aber seit etwa einem Jahr bin ich endgültig unter die Liebhaber der Mangosauce gegangen, die sonst im Land vor allem Einwanderern aus dem Irak oder generell eher orientalisch aussehenden Juden vorbehalten ist. Nun sehe ich nicht gerade aus, als entstamme ich einer irakisch-jüdischen Familie (gelinde gesagt) und dementsprechend schauen mich die sonst nicht so leicht aus dem Konzept zu bringenden Schawarma-Verkäufer immer überrascht an, wenn ich sie nach der Qualität ihrer Amba befrage. Überrascht im ersten Moment, voller Respekt im zweiten.

Denn Amba mag nicht jeder. Also eigentlich die wenigsten. Also eigentlich nur die Irakis. Aber für die ist Amba wie Gold. Diese besondere Sosse mit ihrer riesigen Intensität aus Senf, Mango, Zitrone und Knoblauch.

Meist nicken die Schawarma-Männer mir anerkennend zu, bevor sie mir – immer ehrlich, denn mit Amba spasst man nicht – antworten: „Unsere Amba ist me’ule“ (das ist gut) oder „Nimm lieber deine eigene.“ Denn Amba zu lieben ist das eine, die perfekte Amba zu finden das andere.

Mein Lieblings-Schawarma-Mann steck Kunden auch schon mal ungefragt eine Falafel in den Mund (Bild: KHC).

Seitdem irakische Einwanderer Amba-Sauce erst aus Indien in den Irak und dann in den 50ern von dort nach Israel gebracht haben, um sie zu ihrem traditionellen Schabbat-Frühstück zu servieren (über Nacht gekochte Eier mit Aubergine), hat Amba seinen Weg in die israelische und palästinensische Küche gefunden. Man isst es vor allem zu Fleisch, aber auch zu Falafel oder Sabich (einer Art Pita-Sandwich mit Ei, Kartoffel und Aubergine). Mittlerweile wird sie sogar in einigen Chefrestaurants genutzt und zu Pommes gegessen – was ich verstehen kann, denn einmal auf das Amba gekommen, kann man eigentlich nicht mehr aufhören das Sösschen zu verputzen. Umso wichtiger ist es, eine Quelle für hervorragendes und nicht nur mittelmässiges Amba aufzutun. Denn an mittelmässigem Amba isst man wirklich den ganzen Tag, da hatte der Mann recht.

Zum Glück ist nicht nur meine Schwiegermutter irakisch-jüdischer Herkunft sondern auch die Frau meines Schwagers. Die ist zwar eigentlich in England geboren worden, aber zum Glück sind die Wege des Herrn unergründlich. Denn ihre Tante in Raanana macht eine Ambasauce, die ihresgleichen sucht. Mit grossen Mangostücken und der perfekten Mischung aus samtig und geschmacksintensiv. Falls sie jetzt denken, dass ich Ihnen das Rezept verrate, dann muss ich sie enttäuschen. Denn sowas nimmt man wohl mit ins Grab. Ich habe auch keine Ahnung, was da genau drin ist.

Eines kann ich aber mit Sicherheit sagen, ein Leben ohne Amba ist möglich, aber sinnlos. Plus: Das überraschte Gesicht des Schawarma-Mannes ist es wert. Jedes einzelne Mal.

Das Gold in unserem Haus: Der Ambatopf (Bild: KHC).

Weitere Informationen:

Amba in Chefrestaurants (eng), Haaretz

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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