MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Tel Aviv, oh, Tel Aviv

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Letzte Woche wurde ich in einem Radiointerview mit dem WDR mal wieder über meine Beziehung zu Tel Aviv befragt – und dabei ist „Beziehung“ genau das richtige Wort. Denn Tel Aviv und ich, das ist wie eine grosse Liebe, bei der es auch mal so richtig Stunk gibt. Nicht umsonst lebte ich fast drei Jahre ausserhalb der Stadt. Sowieso, Liebe auf den ersten Blick war es für mich nicht. Anders als bei vielen meiner Freunde, die uns in den letzten Jahren hier besucht haben, hat Tel Aviv nicht sofort mein Herz erobert. Das liegt wohl daran, dass Tel Aviv für mich zuerst einmal vor allem hässlich war. Und: Tel Aviv ist nicht charmant. Im Sommer ist es viel zu heiss und die Luftfeuchtigkeit gibt dem ganzen hier ein Flair von einer Open-Air-Dampfsauna. Im Winter rinnen Regenflüsse die Strassen herunter und man springt über die Gehwege wie ein Känguru. Dazwischen kann die Stadt vor allem eines: Lärm machen! Mit ihren schnaufenden Bussen, hupenden Autos, ratternden Klimaanlagen, keifenden Katzen und dauer-kläffenden Hunden. Und dann diese Alarmanlagen, von denen immer irgendeine irgendwo gerade schrill aufheult.

Und trotzdem: Tel Aviv ist der beste Ort der Welt. Zum Beispiel wenn ich meinen Sohn von der Kita abhole und wir danach an den Strand fahren und dann, das Kind nur mit einem Handtuch-Poncho bekleidet, nach Hause radeln. Wenn ich wieder mal ein neues tolles Restaurant entdecke, in dem das Essen so gut und echt schmeckt, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Wenn man über den „Shuk ha Carmel“ (der Markt) läuft, und der Verkäufer einen zum Abschied „Motek“ nennt (zu Deutsch „Süsse“). Und wenn ich abends auf der Dachterrasse stehe und die langsam untergehende Sonne den Azrieli-Komplex in ein warmes Licht taucht.

Tel Aviv will nicht gefallen und mittlerweile ist es genau das, was ich an der Stadt so schätze. Und wenn dann noch am Freitagnachmittag, kurz vor Schabbat, diese unfassbare Ruhe einkehrt, die Busse, die hupenden Autos, wenn all die Lärmmacher eine Pause einlegen, dann ist Tel Aviv noch ein bisschen perfekter.

Meine Lieblingsorte in Tel Aviv:

– Der Strand: Irgendwo hiess es mal, der Strand, das Land und genau so ist es. Am Tel Aviver Strand gibt es für jedes Tierchen sein Pläsierchen. In Jaffo mit Kopftuch, im Norden sitzen neben dem Schwulenstrand die religösen Männer mit Kippa und am Mezizim Beach lustwandeln junge schöne Menschen so leicht bekleidet wie möglich. Mein Strand ist übrigens der nördliche Gordon Beach, mit Unterhaltungsprogramm von den Amateur-Stehpaddlern, die gerne mal ins Wasser platschen.

– Das „La Shuk“: Klar, die trendigen Restaurants finden sich mittlerweile fast alle im Süden der Stadt. Aber das La Shuk am Dizengoff Square bietet nicht nur einen tollen Blick auf den angestrahlten „Feuer- und Wasserbrunnen“ von Jaakov Agam, sondern hat Essen, das so wundervoll Tel Aviv ist (zum Beispiel Seviche mit Datteln und Kichererbsen), dass man nie wieder aufstehen möchte.

– Der zentrale Busbahnhof: Zugegeben, nicht die erste Anlaufstelle für Tel Aviv Besucher, aber der absurdeste Ort in der Stadt und ein Phänomen, das ich in diesem Ausmass nicht aus Berlin oder anderen Metropolen kenne: Völlig überdimensioniert und absolut hässlich liegt in diesem Koloss ein Universum von Parallelwelten. Von Little Philippines über Treffpunkte für arabische Transvestiten, Break Dance von eritreischen Flüchtlingen und einem kleinen, sehr feinen, jiddischen Museum – hier gibt es nichts, was es nicht gibt.

Und dann sind da noch diese Tel Aviver Sonnenuntergänge (Bild: KHC).
Und dann sind da noch diese Tel Aviver Sonnenuntergänge (Bild: KHC).

Die tollste NICHT-Liebeserklärung…

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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