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Verkehrsinfrastruktur in Israel: Für mehr Sicherheit und einen besseren Nahverkehr

in Israel Zwischenzeilen/Reportagen

Israel ist mit seinen 65 Jahren ein vergleichsweise immer noch junges Land, in dem es viel zu tun gibt. In Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur des Landes verfügt der kleine Staat zwar, besonders im Vergleich zu seinen Nachbarn, über einen sehr hohen Standard aber mangelnde Angebote für den Nahverkehr sowie die Verbesserung der Strassensicherheit stehen immer noch ganz oben auf der To-Do-Liste des Ministeriums für Transport und Strassensicherheit…

Von Katharina Höftmann

Es gibt wenige Tramlinien auf der Welt, die so spannend sind wie die L1. Fast lautlos gleitet die Strassenbahn zwischen dem im mehrheitlich arabischen Ost-Jerusalem gelegenen Stadtviertel „Pisgat Ze’ev“ und dem Herzlberg, die Ruhestätte von Theodor Herzl und anderen wichtigen israelischen Persönlichkeiten, durch die heilige Stadt. In der Tram selbst, deren Anzeigen auf Hebräisch, Arabisch und Englisch leuchten, trifft sich die Bevölkerung des Jerusalemer Melting Pots. Aufgedrehte arabische Schulkinder, leise diskutierende ultra-orthodoxe Studenten und am Handy quasselnde junge Soldatinnen mischen sich auf den gepolsterten Sitzen. Draussen ziehen derweil das Damaskustor, der orthodoxe Stadtteil Mea Schearim und die belebte Jaffa Strasse vorbei. Hin und wieder dröhnt das Hupen des Fahrers durch den Wagen, weil wieder einmal jemand unerlaubt über die Schienen flitzt. Die Tram in Jerusalem fährt erst seit August 2011 durch die Stadt und manche Bewohner haben sich immer noch nicht an die veränderten Sicherheitsanforderungen bei der Überquerung breiter Strassen gewöhnt. Zu Stosszeiten dauert es ausserdem manchmal minutenlang, bis der Fahrer weiterfahren kann, weil immer noch Leute versuchen, in die längst überfüllte Tram zu drängen, was das Türenschliessen unmöglich macht.

Die Jerusalemer Tram durchquert die bekannte Jaffa Strasse (Bild: Wikipedia.com).
Die Jerusalemer Tram durchquert die bekannte Jaffa Strasse (Bild: Wikipedia.com).

Der Bau der Jerusalemer Strassenbahn war ein Mammutprojekt. Bereits 1995 versprach der damalige Bürgermeister von Jerusalem, Ehud Olmert, enthusiastisch, dass das Strassenbahnsystem im Stadtzentrum innerhalb von fünf Jahren fertig gestellt sein würde. Es sollte mehr als zehn Jahre länger dauern. Man entschloss sich, gleich auch noch Abwassersystem auf der Strecke zu erneuern, was die Bauzeit erheblich verlängerte. Daneben erschwerten verschiedene Proteste das gigantische Bauprojekt, so kritisierten Bürger Ost-Jerusalems den Streckenverlauf durch das von ihnen beanspruchten Gebiet und orthodoxe Juden forderten nach Geschlechtern getrennte Wagen. Rund 4 Milliarden Schekel (ca. 830 Millionen Euro, 1,02 Milliarden CHF) hat die Tram am Ende gekostet, deutlich mehr als vergleichbare, in den letzten Jahren neu errichtete Stadtbahnsysteme.

Mit rund 2.000 Leihrädern gegen verstopfte Strassen und Parkplatzprobleme

Dafür schauen die Bürger Tel Avivs, deren öffentlicher Verkehr zu einem Grossteil aus lärmenden, stinkenden Bussen besteht, nun neidisch auf die israelische Hauptstadt. In Tel Aviv kämpft man, anders als im hügeligen Jerusalem, mit rund 2.000 Leihrädern gegen verstopfte Strassen und Parkplatzprobleme. Seit ihrer Einführung 2011 gehören die grünen „Tel-o-Fun“-Räder zur Stadt wie die Strandpromenade und der Karmel Markt.

„Eines der Hauptziele des Ministeriums für Transport und Strassensicherheit ist es, effiziente und attraktive öffentliche Verkehrsmittel zu entwickeln. Wir fördern aktiv die Entwicklung und Nutzung von modernen Nahverkehrssystemen“, erklärt das Ministerium, dessen Arbeit von vielen Israelis kritisch beäugt wird, in seiner offiziellen Zielsetzung auf seiner Webseite.

Der israelische Nahverkehr ist immer noch eines der Sorgenkinder des Ministeriums für Transport. Zwischen 1995 und 2008 ist die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel um 20 Prozent gesunken. In den Metropolen wie Tel Aviv und Haifa kommen seit kurzem einige Elektro- bzw. Hybridbusse zum Einsatz, aber vor allem in kleineren Städten sind noch überwiegend lärmige Dieselbusse unterwegs. Die Linienbusse sind die Herzstücke des nationalen Nahverkehrs. Das gilt besonders für den Transport zwischen den Städten, die über keine Bahnhöfe verfügen.

Tel Aviv radelt seit zwei Jahren grün: Die Tel-o-Fun-Leihräder sind überall in der Stadt zu finden (Bild: Stadtverwaltung).
Tel Aviv radelt seit zwei Jahren grün: Die Tel-o-Fun-Leihräder sind überall in der Stadt zu finden (Bild: Stadtverwaltung).

Grösste Schwachstelle des Zugverkehrs ist die Verbindung zwischen Tel Aviv und Jerusalem

Und davon gibt es viele, denn das Streckennetz der staatlichen israelischen Eisenbahngesellschaft kann man als ausbaufähig bezeichnen. Viele Teile des Landes wie Galiläa und Eilat sind gar nicht an das Streckennetz angeschlossen, andere wie das dicht besiedelte Gebiet um Petach Tikwa und Kfar Saba, östlich von Tel Aviv, nur unzureichend (hier gibt es beispielsweise keine Direktverbindung zum Flughafen). Dazu kommt, dass viele Bahnhöfe weit ausserhalb der Städte liegen, die sie bedienen sollen. Grösste Schwachstelle des Zugverkehrs ist die Verbindung zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Während man mit den öffentlichen Bussen je nach Verkehr zwischen 40 und 60 Minuten für die Strecke braucht, dauert die Zugfahrt aktuell ganze 1 ! Stunden. Deswegen hat die Regierung die Errichtung eines Schnellzuges zwischen den beiden Zentren des Landes ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt. Nach Angaben des Ministeriums für Transport rechnet man mit der Fertigstellung 2017 – dann sollen drei Züge pro Stunde in jeweils 30 Minuten von Tel Aviv nach Jerusalem und umgekehrt fahren.

Die Zugstrecke zwischen Tel Aviv und Haifa führt zum Teil direkt am Mittelmeer entlang (Bild: Wikipedia).
Die Zugstrecke zwischen Tel Aviv und Haifa führt zum Teil direkt am Mittelmeer entlang (Bild: Wikipedia).

Auch für die Strecke nach Eilat ist eine Zugverbindung immerhin geplant. Transportminister Israel Katz unterzeichnete dafür im vergangenen Jahr eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen Israel und China in grossen Infrastrukturprojekten. Chinesische Unternehmen, so hofft man im kleinen Israel, haben das Know-How und die Ressourcen, um das grosse Bahn-Projekt zu realisieren. Wann das Bauprojekt starten soll, ist hingegen bisher nicht bekannt. Die Züge selbst, die in Israel im Einsatz sind, sind aber grösstenteils modern und pünktlich. Mit einem weiteren Ausbau des Zugverkehrs will man vor allem den teilweise extrem dichten Strassenverkehr entlasten. Denn besonders in den 80er Jahren hat das israelische Transportministerium sich fast ausschliesslich auf den Ausbau des Strassennetzes konzentriert.

Rund 20 Milliarden Schekel im Jahr gehen durch Verkehrsstaus verloren

Das und die verbesserte wirtschaftliche Situation der Bürger des Landes haben zur Folge, dass sich die Zahl der Privatwagen zwischen 1980 und 2008 von 409.518 auf 1.875.765 mehr als vervierfacht hat. Dazu kommt, dass es in Israel üblich ist, einen Firmenwagen vom Arbeitgeber gestellt zu bekommen. Vor allem im Grossraum Tel Aviv führen die mangelnden Alternativen des öffentlichen Verkehrs während der Stosszeiten dazu, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit gerne mal bei 20 km/h liegt. Laut einer Studie des Finanzministeriums von 2010 gehen der israelischen Wirtschaft wegen der Verkehrsstaus rund 20 Milliarden Schekel im Jahr verloren.

 

Besonders zum Ende der Arbeitszeit bilden sich um Tel Aviv herum heftige Staus (Bild: Wikimedia).
Besonders zum Ende der Arbeitszeit bilden sich um Tel Aviv herum heftige Staus (Bild: Wikimedia).

Eine 2007 von der UN durchgeführte Studie zeigte auf, dass Israel von allen untersuchten westlich- geprägten Ländern die mit Abstand überfülltesten Strassen hatte. Zwar ist die Zahl der Fahrzeuge pro Tausend Einwohner mit 326 im Vergleich zu West-Europa (wo sie zwischen 400 und 600 liegt) und den USA (800) immer noch relativ niedrig, aber das Land ist klein. Die Gebiete, die für Strassen zur Verfügung stehen sind nicht sehr gross, wenn man sie mit der Zahl der Einwohner ins Verhältnis setzt. Die ständigen Staus führen dazu, dass viele Israelis über eine Art mobiles Büro in ihren Autos verfügen. Dank Freisprechanlagen und Bluetooth-Einrichtungen werden ganze Interviews und Gesprächskonferenzen im Auto geführt – das wirkt sich nicht unbedingt sehr gut auf die Verkehrssicherheit aus. Dazu kommt ein nicht gerade rücksichtsvoller Fahrstil, bei dem Zebrastreifen regelmässig übersehen werden und man auf Autobahnen von rechts überholt wird. Und so ist es in Israel, trotz aller Linienbusse, die in der Geschichte des Landes explodiert sind, immer noch gefährlicher mit dem Auto zu fahren.

Ein Fakt, der für die künftige Projektplanung im Strassenbau äusserst wichtig ist. Nach Informationen des Unternehmens für nationale Transport-Infrastruktur „Netivei Israel“, bereitgestellt durch Edward Yosilevsky, Koordinator Wissensmanagement und Internationale Beziehungen, wurden 2012 insgesamt 160 Kilometer Strasse fertig gestellt oder ausgebaut. Dadurch sei die Sicherheit auf den Strassen signifikant erhöht worden und es hätte 32 Prozent weniger Verkehrstote gegeben. Für das Jahr 2013 erwarte man einen neuen Rekord bei der Fertigstellung von Strassen und der damit verbundenen Verbesserung der Sicherheitssituation.

Weitere Informationen:

 

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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