MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

„Israel ist die Start-up-Nation – auch in der Kunstwelt“

in Israel Zwischenzeilen/Reportagen

Israel hat nicht nur die meisten Museen der Welt (per capita) sondern Werke israelischer Künstler wie Menashe Kadishman, Dani Karavan und Sigalit Landau sind weltweit bekannt und ausgestellt. Das Besondere an der Kunstszene in Israel ist, wie Kunst und Unternehmergeist in einer außergewöhnlichen Art und Weise aufeinander treffen. Besonders Tel Aviv, hat sich nicht nur als Start-up-Zentrum sondern auch als perfektes Biotop für innovative Künstler und Ideen um diese Kunst herum etabliert…

Bilder von Wäldern. Nicht gerade Bilderbuchwälder. Diese Wälder hier sind wild und sperrig. Ihre Äste verlaufen wie die Venen eines Menschen, der bereits viel erlebt hat in seinem Leben. Die junge Kunsthistorikerin Sarah Peguine erklärt mir, dass die Bilder zur Ausstellung mit dem Namen „KAKAL“ gehören. KAKAL steht für den Jüdische Nationalfonds (KKL), der Organisation, die 1901 im Auftrag und auf Initiative Theodor Herzls als Wegbereiter eines jüdischen Staates gegründet wurde und die heutzutage vor allem Umweltprojekte im Land fördert. Die schwarz-weiß Photographien von Efrat Shvily muten fast wie Zeichnungen an, sie zeigen Wälder, die einst vom KKL gepflanzt wurden. Sie haben nicht viel mit den Bäumen gemeinsam, die in Hochglanzbroschüren der Organisation präsentiert werden – sie sind nicht düster, sie sind echt.

Tel Aviv bietet eine Vielzahl an spannenden Galerien

Wir stehen in der renommierten „Sommer Gallery“ auf dem Rothschild Boulevard. Sarah Peguine hat mich hergeführt. Die Israelin mit französischen und belgischen Wurzeln erklärt passioniert jedes Kunstwerk, das wir gemeinsam betrachten. Sie hat am renommierten „Courtauld Institute of Art“ in London studiert und israelische Kunst aus vielen Perspektiven kennengelernt. Ihre bisherigen Stationen führten sie zu „Sotheby’s Tel Aviv“ und in das „Israel-Museum“. Nachdem sie außerdem vier Jahre in der bekannten „Dvir Gallery“ gearbeitet und dadurch die Beziehungen zwischen dem israelischen Kunstmarkt und der Welt ausführlich kennengelernt hat, ist sie seit Frühjahr dieses Jahres selbstständig. Seit März 2013 bietet sie exklusive Kunsttouren durch Tel Aviv an. Zwei Stunden lang entführt sie ihre Besucher für rund 30 Euro in die Kunstwelt der Mittelmeermetropole.

Keine leichte Aufgabe, denn 35 Galerien in Tel Aviv kann man allein auf der Webseite „ArtCity“ finden. In Wahrheit sind es deutlich mehr, denn in der Liste fehlen die meisten kleineren Kunsthallen und temporären Ausstellungen wie Pop-Up-Galerien. „Israel ist die Start-up-Nation und das spiegelt sich auch in der Kunstwelt wieder. Es passieren ständig neue Dinge, jeden Donnerstag eröffnen neue Ausstellungen“, erzählt die 26-Jährige Peguine auf ihrer Tour. Viele der Galerien kommunizieren jedoch ausschließlich auf Hebräisch, das macht es für Touristen schwer. Peguine bringt ihre Besucher zu den wichtigsten Ausstellungen der Stadt, sie wählt aus, was wirklich sehenswert ist. Das müssen nicht immer die großen renommierten Häuser sein: von der „Sommer Gallery“ aus führt sie mich in die kleine „Indie Photography Group Gallery“ auf der Yehuda Halevi Straße. Die Galerienszene Tel Avivs zu erkunden, ist laut dem „Time“ Magazin auf Platz zwei in der Liste der „Zehn Dinge, die man in Tel Aviv machen sollte.“ Sie repräsentiert die spannende Kunstszene, die es im gesamten Land gibt und die sich stetig verändert.

Sarah Peguine vor den Werken von Efrat Shvily in der „Sommer Gallery“ (Bild: KH mit Instagram).
Sarah Peguine vor den Werken von Efrat Shvily in der „Sommer Gallery“ (Bild: KH mit Instagram).

Start-up-Nation ist mehr als Hightech-Unternehmen

„Israel ist weltweit zu Recht als Start-up-Nation bekannt. Aber es ist schade, dass diese Qualität immer nur im Zusammenhang mit High-Tech-Start-ups wahrgenommen wird, denn die gleiche unternehmerische Energie gibt es auch in der Kunstwelt des Landes.“, stellt die 27-Jährige amerikanische Unternehmerin Lee Rotenberg fest. Gemeinsam mit der 28-Jährigen Schweizerin Alexandra Schinasi hat Rotenberg eines der ersten Kunst-Start-ups im Land gegründet. Ihr Projekt „ArtSetters“ ist eine Online Galerie, die Neueinwanderinnen Schinasi und Rotenberg sind so etwas wie Kuratoren2.0 – ihre Arbeit finden fast ausschliesslich im Internet statt. Auf der Webseite, die Ende August online gehen soll, werden sie ausgewählte Kunststücke weltweit anbieten.

Das Büro der Frauen, die bereits das erfolgreiche Kunstportal „Omanoot“ aufgebaut haben, liegt in dem von der Stadt Tel Aviv geförderten Start-up-Hub „Mazeh 9“. Langsam sickert auch an staatlichen Stellen durch, dass Israels Start-up-Kultur aus mehr als High-Tech-Ideen besteht.
Die Charakteristika der Start-up Nation finden sich auch in der Art, wie im Land über Kunst kommuniziert wird, wieder. Kaum eine Galerie, die nicht über einen aktiven Account bei Facebook oder Instagram verfügt. Die Zahl der Kunstblogs steigt ebenfalls stetig an.

Die Gründerinnen Lee Rotenberg (links) und Alexandra Schinasi (Bild KH mit Instagram).
Die ‚Artsetters‘ Gründerinnen Lee Rotenberg (links) und Alexandra Schinasi (Bild KH mit Instagram).

Sarah Peguine war mit ihrem Blog „Oh so Arty“, den sie vor mehr als fünf Jahren gegründet hat und der von Nutzern auf der ganzen Welt abonniert wird, eine der ersten, die diese Form der Informationsverbreitung über Kunst in Israel genutzt hat. „Ich versuche, mich wirklich auf meine Generation zu fokussieren. Deswegen nehme ich die sozialen Medien auch sehr ernst. Ich möchte gerade jungen Leuten zeigen, was die israelische Kunstszene zu bieten hat.“, beschreibt Sarah Peguine ihre Herangehensweise. Da junge Leute aber oft nicht das nötige Kleingeld haben, um Kunst zu erstehen, fokussiert sich die Kunstexpertin gleichzeitig in ihrer Position als Art Consultant auf alle Generationen.

Es wächst eine neue Kunstgeneration heran

Auch die Macherinnen der Plattform „ArtSetters“ wollen vor allem junge Künstler und Kreative fördern. Neben bildenden Künstlern soll „ArtSetters“ auch Werke von Designern, Musikern und anderen Kreativen präsentieren. Ein besonderes Augenmerk legen sie dabei neben Tel Aviv auf Städte wie Istanbul, Beirut und Berlin. „Nachdem wir eine rein auf Israel fokussierte Online-Galerie auf den Weg gebracht haben, wollen wir nun globaler tätig werden. Wir planen, die kreativen Szenen der Städte weltweit abzubilden.“, begründet Alexandra Schinasi. „Es ist aber nicht so, dass wir Tel Aviv dabei aus den Augen verlieren wollen – im Gegenteil, wir wollen unsere israelischen Künstler global präsentierten. Das ist etwas, was viele israelische und auch beispielsweise libanesische Künstler möchten, aber was für sie alleine nur schwer umzusetzen ist“, ergänzt ihre Kollegin Lee Rotenberg.

So wie Sarah Peguine in ihrem Kunstblog zeigen auch Alexandra Schinasi und Lee Rotenberg auf ihren vielfältigen Kommunikationskanälen via Facebook und Instagram die Hintergründe ihrer Arbeit. Dabei interagieren sie sichtbar mit Künstlern und ihren Werken. Die unsichtbaren Kuratoren oder die Kunstexpertin, die sich in Museen versteckt, waren einmal. In Tel Aviv wächst eine neue Kunstgeneration heran und sie wird die Szene des Landes und ihre Bekanntheit weltweit maßgeblich beeinflussen.

Auf dem Portal „ArtSetter“ werden u.a. Kunstfotografien wie diese von Merav Ben Loulou angeboten (Bild: ArtSetter).
Auf dem Portal „ArtSetter“ werden u.a. Kunstfotografien wie diese von Merav Ben Loulou angeboten (Bild: ArtSetter).

Weitere Informationen:

 

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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